Für mich war es eine Meldung mit Beigeschmack, die gestern durchs Internet tickerte: Computerriese Hewlett Packard gab bekannt, dass es sein wenig erfolgreiches WebOS-Betriebsystem, das vorwiegend auf firmeneigenen Smartphones wie dem Pre und auf Tablett-PCs wie dem HP Touchpad läuft, unter eine (noch nicht näher spezifizierte) Open-Source-Lizenz stellen wird. HP setze auf die Kreativität der Open-Source-Gemeinschaft, erklärte Konzernchefin Meg Whitman in einer Pressemitteilung am Freitag.
Ein solches Vorgehen ist an sich ja nicht ungewöhnlich. Etliche heute (noch) erfolgreichen Projekte Freier Software sind aus ursprünglich kommerziellem Umfeld hervorgegangen. Und meistens hat es der Software nur gut getan, dass eine große freiwillige Entwicklergemeinde die Software weiter entwickelt hat. Der heute äußerste beliebte Firefox-Browser ist dafür ein gutes Beispiel.
Auch die andere Bewegung gibt es: seit Jahren fordern engagierte PC-Nutzer dem Computerkonzern IBM auf, das Betriebssystem OS/2 endlich unter eine Freie Lizenz zu stellen. Ursprünglich gemeinsam von IBM und Microsoft entwickelt war OS/2 in den 90er Jahren vor allem technisch dem Microsoft-Windows-Systemen weit überlegen. 2005 stellte IBM die Weiterentwicklung ein, gewährt allerdings bis heute keinen Einblick in den Quellcode, so dass das an sich gute System inzwischen “tot” ist, auch wenn es Entwickler gibt, die versuchen, ein zu OS/2 kompatibles Open-Source-Betriebssystem zu entwickeln (osFree).
Dennoch ist die Entscheidung von HP, WebOS für freie Entwickler zu öffnen, ein Ergebnis von verräterischer Ratlosigkeit: HP gibt offen zu, dass zuerst versucht wurde, WebOs zu verkaufen, das Interesse sei aber zu gering gewesen. Der kalifornische Computergigant hatte es selbst nicht geschafft, WebOS als Alternative zu Apples mobilem Betriebssystem iOS oder Googles Android zu etablieren. HP hatte die von Fachleuten viel gelobte Software zusammen mit dem Smartphone-Pionier Palm erst 2010 übernommen und dafür noch rund 900 Millionen Euro gezahlt.
Nun also soll die Community Marketingfehler und verfehlte produkt-strategische Entscheidungen rund um das mobile Betriebssystem ausbügeln. Freie-Software-Entwickler als Lückenbüßer, wenn der Konzern mal nicht mehr weiter weiß? Oder: wenn Software nichts mehr wert ist, dann wird sie eben schnell Freie Software?
WebOS setzt ja auf einem Linux-Kernel auf und hat eine aktive “Homepbrew”-Community, die Software für WebOS-Geräte bereitstellt – Potential ist also da, wenn es um die Weiterentwicklung von WebOS geht. Es steht darum zu erwarten, dass der Plan von HP teilweise aufgehen kann. WebOS selbst ist nach meiner Einschätzung ein sehr gutes Betriebssystem, mit dem sich touchbasierte Geräte flüssig und sehr effizient bedienen lassen, und somit sicher technisch eine Alternative zu Androidgeräten sein können.
Trotzdem glaube ich nicht, dass HPs Strategie, das System zu genau dem Zeitpunkt zu öffnen, als es bereits ausgezählt am Boden liegt, für WebOS noch etwas großartig bewirken kann. Wäre HP clever gewesen, hätte es das System bereits vor einem Jahr geöffnet und gleichzeitig eine attraktive Infrastruktur für Entwickler geschaffen.
Momentan bleiben allerdings Zweifel angebracht, ob sich die Freie-Software-Community vor den WebOS-Karren spannen lässt und für das System ein zweiter Frühling als Freies Betriebssystem anbrechen wird.
Auch heise.de macht sich Gedanken zum “Debakel um WebOS”:
http://www.heise.de/open/artikel/Die-Woche-Das-WebOS-Debakel-1396391.html
Kann freie Software überhaupt mit gewinnorientierten Unternehmen funktionieren? Ich habe mal gegoogelt und ganz unterschiedliche Einschätzungen gefunden. HP hat seine alten, alten Webpräsenzen um das Palm nicht aus dem Netz genommen. Vielleicht weil einer der großen Vorteile von freier Software ist, dass man immer wieder neu anfangen kann … wenn man will. Und wie du schon schreibst: Vor einen Karren spannen lassen wir uns nicht.
Wer Lust drauf hat: http://www.openwebosproject.org/ Da steht jetzt LG drunter. 🙂