Das K Desktop Environment als Desktop bestimmte Anfang der 2000er Jahre meinen Ein- und Umstieg in die Linux-Welt. Mit dem Ende der Version 3.5 bin ich dann auf die Gnome-Desktopumgebung umgestiegen – meine bevorzugte Arbeitsumgebung bis heute. KDE-Plasma als Desktop ist mir die letzten Jahre fremd geblieben. Geändert hat das vor kurzem Chakra Linux, eine Distribution mit Arch-Unterbau, die sich ganz dem KDE-Desktop verschrieben hat. Ich hatte ein älteres Fujitsu-Notebook, auf dem ich Chakra eigentlich nur mal kurz testen wollte – es hat mich so beeindruckt, dass ich die Installation nicht wieder gelöscht habe und nun damit arbeite.
Bevor ich darum ein paar Dinge zu Chakra selbst sage, sage ich dies gleich vorweg: Chakra bootet schnell, ist schnell und hat mit meinen Vorbehalten gegenüber einem KDE-Desktop restlos aufgeräumt.
Ursprung und Philosophie
Chakra hat seinen Ursprung im KDEmod-Projekt für Arch Linux, das das Ziel hatte, eine einfache Arch-Installation mit KDE anzubieten. Die Distribution unterstützt heute noch ausschließlich KDE als Desktop-Umgebung und nur 64-bit-Systeme. Wichtige Programme, die auf GTK setzen, werden als sog. “Bundles” angeboten und können selbstverständlich nachinstalliert werden. Chakra Linux baut auf einem Half-Rolling Release Modell auf, das schnelle, leichte und stabile Updates mit der neuesten Software verbindet. Konkret heißt das: Wichtige Komponenten – z.B. das Grafik- und Soundystem – wandern nur nach ausführlichen Tests in das stabile Repository. Anwendungsprogramme allerdings, die den Kern des Systems nicht tangieren, werden sofort nach ihrem Erscheinen freigegeben. Aus der Sicht der Entwickler von Chakra entstehen aus diesem Veröffentlichungs-Modell drei Vorteile:
1. Man muss Chakra nur einmal installieren. Alle zukünftigen Upgrades sind über die Repositories erhältlich.
2. Man hat immer Zugang zur neuesten Anwender-Software.
3. Anders als richtige rolling-release Systeme kann Chakra wichtige Kernbestandteile länger testen, was der Stabilität zu Gute kommt.
Installation
Das ISO-Image der aktuellen 64bit-Ausgabe von Chakra (2017.10 aka “Goedel”) umfasst knapp 2.1 GB. Das System ist als Live-CD konzipiert. Gleich beim Start der CD (oder des USB-Sticks) sollte man durch Druck auf die “F2” Deutsch als Sprache auswählen, dann läuft der Installprozess – größtenteils jedenfalls – auf Deutsch ab, was bei systemkritischen Aktionen, wie etwa der Partitionierung der Festplatte, für Leute, die im Englischen nicht so sicher sind, doch einfacher sein kann.
Softwareauswahl für Plasma
Wenn der Boot-Prozess von Stick oder DVD abgeschlossen ist, erscheint der KDE-Plasma-Desktop mit dem Begrüßungsfenster, aus dem heraus man direkt Chakra installieren kann (Screenshot hier leider nur in Englisch). Der Installprozess ähnelt in den Schritten dem von z.B. ubuntu stark, sollte also auch für Linux-Anfänger zu meistern sein: Spracheinstellungen festlegen, Festplatte partitionieren und Benutzer samt Passworten anlegen.
Wenn die Installation abgeschlossen ist, startet der Plasma-Desktop – zumindest auf meinem Notebook (Dualcore 2,2 Ghz, 8GB, 500GB SSD) – rasend schnell.
Die standardmäßig installierte Software enthält natürlich hauptsächlich die bei einem Plasma-Desktop zu erwartende Auswahl: Büro-Suite mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation usw. ist Calligra-Office, Kmail ist das Mailprogramm.
Eine Überraschung ist der angebotene Standard-Browser, den ich bei Chakra zum ersten Mal ausprobieren durfte und auf mich dann auch einen guten, schnellen Eindruck machte: Qupzilla ist ein sehr schlanker, freier Webbrowser, der auf der QtWebEngine basiert, unter der GPL lizenziert ist und wirklich sehr schnell ist.
Paketverwaltung
Als Neuling in einer Arch-Linux-Umgebung dürfte man sich auch – wenn man wie ich aus dem Debian-Lager kommt – über die grafische Paketverwaltung Octopi freuen, ein grafisches Tool für den Arch-Paketmanager Pacman, das sich schnell und intuitiv bedienen lässt. Die Oberfläche von Octopi ist
aufgeräumt. Aktualisieren des Systems geht auf Mausklick, ist also erfrischend unkompliziert, wenn auch die eigentliche Aktualisierung (bzw. Neuinstallation von Paketen) im automatisch öffnenden Terminalfenster erfolgt.
Allerdings bringt es das “Rolling-Release”-System mit sich, dass stets die neuesten Versionen von Anwender-Software mit eingespielt werden, so dass die Download-Liste immer etwas umfangreicher ist, als etwa von Debian gewohnt.
Mein Fazit
Manchmal lohnt es sich, über den Tellerrand der bislang verwendeten Distribution hinauszuschauen: Mir gefällt Chakra sehr gut, ein schnelles System, das mir die KDE/Plasma-Welt doch wieder ein gutes Stück näher gebracht hat. Die Hürde, sich einmal in die Arch-Welt vorzuwagen, ist mit Chakra-Linux nicht mehr sehr groß. Ich werde Chakra weiterhin auf meinem Notebook ausprobieren.
Wenn Ihr es kennt oder schon einmal probiert habt, würde mich Eure Meinung interessieren.
In der virtuellen Box unter elementary OS ist Chakra langsam und friert manchmal ein. Kann auch an meinem Rechner liegen. (Das liegt an meinem Rechner: zu geizig für ne SSD)
Viele Programme heißen anderes als gewohnt. Die Optik der Textverarbeitung sieht aus wie damals.
In der virtuellen Box konnte der Bildschirm nicht in der Breite ausgefüllt werden. Die Darstellung blieb mittig, auch wenn sie nicht gestaucht war.
Möglicherweise läuft das von Live-CD flüssiger. Aber ich habe kein Laufwerk für CDs oder DVDs. Und die Booteinstellungen kann ich nicht ändern.
Wenn Chakra langlebig ist und alles hat, was ich brauche (Text, Internet, genug Spielraum für Ideen wie Podcast und Homepage-Pflege), würde ich es gerne mal richtig ausprobieren. Diese Langlebigkeit wäre ein Argument.
Ja, Chakra nutzt gegenüber etwa Elementary einen ganz anderen Desktop mit einer z.T. eigenen Programmumgebung. Schade, dass Dein Eindruck holperig ist. Es ist aus der Ferne schwer zu bestimmen, woran das liegen könnte.
Ich habe Chakra jetzt auf zwei Notebooks getestet, habe es in einer virtuellen Box laufen und noch keine vergleichbaren Probleme erlebt. Aber im Zweifel würde ich an Deiner Stelle lieber ein System nutzen, das sich mit Deiner Hardware auch verträgt 😉
Interessant. Habe es mir auf der Webseite mal angeschaut. Hätte wieder die Sorge, daß zu wenige Leute dran arbeiten und es irgendwann stirbt.
Die Philosophie schätze ich sehr. Für die Debian-/Ubuntuwelt verfolgt KDE neon ein ähnliches Ziel. Damit bin ich seit einiger Zeit glücklich.
Wollte nur drauf hinweisen, weil Du sagtest, Du kämst von Debian her. Will Dir Chakra nicht madig machen 😉
Momentan sieht es ja erstmal so aus, dass Chakra sehr lebendig ist: auf distrowatch.org wurde es erst kürzlich vorgestellt (https://distrowatch.com/weekly.php?issue=20180423#chakra). Aber Du hast schon Recht: wenn die Maintainer-Crew wenige Leute umfasst, dann kann die Luft schon mal recht dünn werden.
KDE Neon kenne ich noch nicht, werde ich mir auf jeden Fall aber mal ansehen. Danke für den Tipp!