
Was bedeutet diese Ausrichtung für das eigene Handeln und auch für das Agieren von Institutionen?
Diese Frage schwang mit in vielen Gesprächen, die sich auf dem Kirchentag am LUKi-Stand ergaben, da wir ja eine Resolution zur Digitalen Nachhaltigkeit vorbereitet hatten.
Die 3 Tage auf dem Markt der Möglichkeiten im Themenbereich Gesellschaft und Bildung vergingen wie im Flug. Viele auch unterschiedliche Begegnungen waren schon in sich wertvoll.
Dieses große Interesse an Freier Software und der dazugehörigen Haltung – gefühlt war das mehr als bei den letzten Kirchentagen / Katholikentagen – hängt sicher auch mit der Entwicklung der kommerziellen digitalen Plattformen zusammen. Da gibt es ja eine Tendenz, die politisch wache Menschen in Bewegung bringt, entsprechend dem Motto des Kirchentags mutig, stark und beherzt für Freiheit, Respekt und Miteinander einzutreten. Die zahlreichen guten Gespräche zeigten eine große Bandbreite von Interesse an diesen Themen.
Es ging
- von Multiplikatoren für eine Zertifizierung mit Digitaler Nachhaltigkeit (z.B. IT-Berater, Entscheider in Organisationen, Synodale etc.)
- über IT Endanwender
- bis zu solchen, die als Linuxer ihrem besonderen Hobby frönten.
Oft entpuppte sich die Resolution als sehr guter Gesprächsaufhänger – was soll ich denn hier unterschreiben?
Mit einer Karte hatten wir visualisiert, wie sich kontinuierliches Handeln auszahlen kann – welche Werte so der Welt geschenkt werden.
Viele der Gesprächspartner kamen sich in ihrem Alltag so vor, wie wir es auch von Propheten der Bibel kennen. Eine große Mehrheit der Menschen teilt ihre Perspektive nicht, pflegt eine andere Praxis.
Immer wieder kamen die Gespräche auf ein Phänomen, welche in der Literatur des Marketing als ,,Crossing the Chasm“ beschrieben wird. Beim Umgang mit neuen Ideen / Veränderungen lässt sich oft eine Lücke beobachten, die sich zwischen den Innovatoren und Early Adopters zur Mehrheit auftut. Es gibt, das darf uns, da Menschen soziale Wesen sind, nicht überraschen, oft die Orientierung an dem, was die anderen machen. Und dann schließt man sich an, ohne wirklich viel darüber nachzudenken, gibt Verantwortung ab.
Dieses Thema begegnete in vielen Gesprächen. Ob es die Nutzung von Messengern betrifft, die kaum Rücksicht auf die Privatsphäre nehmen, oder Plattformen, die zwar Reichweite versprechen, gleichzeitig auch eigene Agenden mit ihren Algorithmen verfolgen und oft einen unguten Einfluss auf das Miteinander haben, weil halt Empörung Klicks bringt und damit Einnahmen ermöglicht.
Auf der Fahrt von der Messe weg, konnte ich es in der Straßenbahn life beobachten. Eine Person schaute auf ihr Smartphone und fragte, Ist das wahr? Tik Tok hatte ihr gerade eine Nachricht zu einem ICE-Zusammenstoß ausgespielt, die für alle, die sich auch anderweitig informieren, offensichtlich eine ,,Ente“ war.
In manchen Gesprächen, zu dem was Menschen als Betriebssystem nutzen, tauchten Parallelen von Religionszugehörigkeit auf. O-ton: Ihr braucht mich nicht zu bekehren, ich nutze bereits Linux. Dann war es viel schwieriger, einen konstruktiven Gesprächsfaden zu finden. Denn im Grunde geht es ja um mehr, als darum ein bestimmtes Produkt zu nutzen.
Es geht um eine Haltung, die nicht auf Kosten von anderen leben will, also davon ausgeht, dass Leben durch Zerstörung gelingt, sondern um einen Zugang zur biblischen Aussage, dass Geben seliger ist als Nehmen, dass es möglich ist, die Kooperation mehr zu pflegen als die Konkurrenz und so miteinander auch die großen Herausforderungen des Lebens zu gestalten: mutig, stark und beherzt.
Nach den 3 intensiven Tagen war jedem und jeder von uns LUKis klar, wir sind nicht allein – es gibt viele, die sich bewusst für Kooperation entscheiden, Brücken suchen, die Lücke zu überwinden, damit eine Mehrheit der Menschen bewusst Wegen der Freiheit folgt, die durch digitale Nachhaltigkeit ermöglicht werden. Über 300 Unterschriften bei der Resolution zeigen es.
„Und dann schließt man sich an, ohne wirklich viel darüber nachzudenken, gibt Verantwortung ab.“
Da fehlt ein Komma.
Und mir fehlen ein paar Gedanken.
Es ist nunmal ganz .offensichtlich menschlich, da zu sein, wo alle sind. Das hilft beim Überleben.
Dass es heute nicht unbedingt beim Überleben hilft, da zu sein wo alle sind, müssen wir lernen. Tief in unseren überlieferten Lebenserfahrungen steckt dieses Hordengefühl.
Zum dem Hordengefühl gehört auch, den Unvollkommenen weniger zu trauen als den Vollkommenen. Dabei sollten wir wissen, dass kein Mensch (kein Programm, kein Werk, keine Idee) vollkommen ist. Aber was könnte uns dazu bringen, den offensichtlich Unvollkommenen auszuschließen?
Wir sind unvollkommen. Wir sind aber auch in der Lage, ein Leben lang zu lernen. Wir können kooperieren. Wir können einander ergänzen. Und wir können uns zu christlichen Werten bekennen.
Wenn Jesus Linux genutzt hätte, hätte er das nicht mit einer Geste der Überlegenheit getan. Jesus hätte getan, was er immer getan hatte: geteilt, geheilt, vermehrt, erklärt, erlöst aus Banden.
Komma habe ich eingefügt – vielen Dank!
Zum Gedanken des Hordengefühls möchte ich eine Vorstellung von Brian McLaren aus seinem Buch LIFE after DOOM hinzufügen. Eine Inhaltsangabe von diesem englischsprachigen Buch findet sich übrigens hier: https://hgu2read.de/interessen/interessen/lebensspur/lad-inhaltsangabe/
In dritten Kapitel des Eingangteils weist Brian McLaren darauf hin, dass wir Menschen in unserem Denken unterschiedliche Systeme im Laufe der Evolution mitbekommen haben. Das Hordengefühl teilen wir mit vielen anderen Herdentieren.
Wenn dieses System Menschen dominiert, ist das Dazugehören wichtiger als die eigene Meinung, sind Menschen auch zu großen Grausamkeiten fähig.
Es kommt darauf an zu lernen – diese Ausrichtung möchte ich bestärken – gerade auch in der Verstehenshilfe dieses Autors bedeutet Lernen dann, dass es gelingt, die unterschiedlichen Systeme unseres Denkens in einen inneren Dialog zu führen. Dazu braucht es etwas gefühlten Freiraum und eine gewisse persönliche Praxis.
Das System, welches das Überleben unterstützt, gehört übrigens auch dazu. Wenn das das eigene Handeln leitet, gilt das Recht des Stärkeren, plakativ formuliert: Fressen und gefressen werden.
Wie können wir als Menschen handeln, also von anderen Werten bestimmt werden, als von der Meinung der Gruppe, oder dem Überleben?
Da hilft dann eine geteilte Erzählung, die Lebensentscheidungen naheliegt, die anders sind.
Ein wichtiger Berührungspunkt eines biblisch orientierten Narrativ (wie man heute so eine Erzählung oft nennt) und der freien Software, zu der u.a. das Betriebssystem Linux gehört, sind die 4 Freiheiten: https://fsfe.org/freesoftware/freesoftware.de.html
Jesus führt in die Freiheit der Kinder Gottes, also ein Leben als Mensch, der nicht dominiert wird vom Hordengefühl oder den Überlebensimpulsen.