Typischerweise wird uns Nutzern leider die Entscheidung abgenommen, welches System und welche Programme auf einem neuen PC laufen sollen. Denn als Betriebssystem ist Microsoft Windows schon vorinstalliert, und wenn es um Büroprogramme geht, dann fällt oft die Entscheidung für Microsoft Office, weil es doch überall installiert, von jeher vertraut und scheinbar ohne Alternative ist.
Es sind solche Vertriebspraktiken und solche Gewohnheiten, die in der Vergangenheit bei Betriebssystemen und Anwendungsprogrammen zu Monopolstellungen und zur Abhängigkeit von Microsoft und einigen wenigen anderen Softwarekonzernen geführt haben.
Doch für unsere persönliche Computerumgebung gilt wie in der Kirchenverwaltung und in Kirchenbüros: Es gibt stets Alternativen. Diese Alternative heißt Freie Software.
Freie Software bedeutet, dass der Anwender die Freiheit hat, die Software zu benutzen, zu studieren, zu verändern und zu verbessern sowie in ursprünglicher oder veränderter Form weiter zu verbreiten. Für die Nutzung dieser Freiheiten ist das Offenlegen des Programm-Quellcodes eine notwendige Voraussetzung.
Der Freien Software steht die proprietäre oder „unfreie“ Software gegenüber, deren Quellcode streng geheim gehalten wird und die die genannten Freiheiten nicht bietet. Einige dieser proprietären Programme werden kostenlos als „Freeware“ weitergegeben – das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist also nicht der Preis. Es geht um frei wie Freiheit, nicht wie Freibier.
Freie Software führt längst kein Nischendasein mehr. Eine ganze Reihe von Behörden, Kommunen und Bundesministerien nutzt mittlerweile Freie Software. Dazu gehören der Deutsche Bundestag, das Auswärtige Amt, die Polizei in Niedersachsen, die Landeshauptstadt München und das Bistum Würzburg. Bei einem Blick über die Grenzen hinaus finden wir Freie Software in der Stadtverwaltung Wien, bei der französischen Gendarmerie und auch der Staat Kalifornien, ein Mutterland von Mikroelektronik und Software, fördert diese Entwicklung.
Das alles ist kein Zufall, denn es gibt mindestens vier gute Gründe, Freie Software zu nutzen – das sind Kosten, Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und gesellschaftliche Bedeutung.
Mittel- bis langfristig lassen sich für die Kirchen erhebliche Kosten einsparen, da keine proprietären Lizenzen von monopolistischen Herstellern wie Microsoft mehr erworben werden müssen. Entwicklungs- und Supportverträge können flexibel regional vergeben werden, wodurch die kleinen und mittelständischen heimischen IT-Unternehmen gestärkt werden.
Die Software- und Datensicherheit hängt nicht mehr von intransparent arbeitenden Herstellern ab, sondern wird überprüfbar und kann im Bedarfsfall direkt verbessert werden. Die Abhängigkeit von der Unternehmenspolitik und den Veröffentlichungszyklen proprietärer Software-Unternehmen fällt weg, und die eingesetzte Freie Software ist in ihrer Funktionalität flexibel anpassbar. Die langfristige, nachhaltige Verfügbarkeit der verwendeten Programme ist gesichert.
Vor allem aber liegt die Kontrolle der IT-Infrastruktur nicht mehr in den Händen weniger Hersteller; Einfluss und Macht über Arbeitsabläufe, sensible Kommunikation und Daten werden nicht länger an externe Akteure abgegeben. Durch den Einsatz Freier Software verhindern kirchliche Stellen ihre Abhängigkeit von solchen Akteuren und gewinnen an Souveränität und Transparenz. Für eine Gesellschaft, die in starkem Maße auf digitale Kommunikationstechnologie angewiesen ist, gewinnt diese Freiheit der Kommunikationsmittel zunehmend an Bedeutung.
Der Status Quo: kirchliche IT
Uns interessiert zunächst: Wie ist der Status Quo in der kirchlichen IT-Landschaft?
Das Ergebnis: Kirchenämter, Kirchenverwaltungen und nachgeordnete Kirchenbüros nutzen fast nur proprietäre Software, für die jährlich Millionen Euro an Lizenzgebühren ausgegeben werden. Nur ein verschwindend geringer Anteil der gehaltenen Softwarelizenzen stammt aus dem Bereich der Freien Software und bleibt kostenfrei.
Es kommen im Bereich der Kirchen vor allem veraltete Microsoft-Produkte auf den Arbeitsplätzen zum Einsatz – für nichtsdestotrotz Lizenzgebühren anfallen. Das gilt auch für die Server, und das obwohl die freie Produkte selbst etwa von staatlichen oder privatwirtschaftlichen Instanzen als wettbewerbsfähig und teilweise überlegen anerkannt werden. Zudem fallen im Serverbereich für proprietäre Lizenzen besonders hohe Kosten an.
Trotz dieser Tatsachen kommt bei Servern unverständlicherweise so gut wie keine Freie Software zum Einsatz.
Zusätzlich zu den Millionen Euro Lizenzgebühren fallen jährlich ebenfalls Millionen Euro Kosten für Softwaresupport an. Diese Kosten sind für die Kirchen sicher immer ein Faktor, könnten aber bei konsequentem Einsatz Freier Software überwiegend IT-Unternehmen vor Ort zugute kommen.
Wir ziehen daraus das Fazit 1: Die IT- Landschaft der Kirchen ist durch die Monokultur teurer Microsoft-Produkte geprägt. Das enorme Sparpotential bei den Lizenzen wird auf Kosten des Kirchensteuerzahlers nicht genutzt. Selbst in Bereichen, in denen Freie Software nachweislich überlegen ist, wird sie kaum angewendet.
Der Status Quo: Sicherheit in der kirchliche IT
Wie sieht es im Bereich Sicherheit bzw. Sicherheitsrisiken aus?
Informationssicherheit ist für den IT-Einsatz in der kirchlichen Verwaltung aus offensichtlichen Gründen von großer Bedeutung: Die ständige Verfügbarkeit und Stabilität der kirchlichen Verwaltungs- und Kommunikationsinfrastruktur, aber auch der vertrauliche, datenschutzorientierte Umgang mit kirchlicherseits erhobenen Daten erfordern nachweislich sichere Software.
Die Kirchenverantwortlichen sind in der Mehrzahl der Ansicht, dass die Nutzung der Microsoft-Produktkette im Vergleich mit freien Alternativprodukten zu Sicherheitsvorteilen für die Kirchen führt. Sie vertreten damit ein Prinzip „Sicherheit durch Geheimhaltung“.
Diese Einschätzung wird jedoch grundsätzlich weder vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) noch von führenden Forschern auf dem Gebiet der IT-Sicherheit geteilt. Laut BSI bietet Freie Software „bedeutende strategische Vorteile“ für die Gewährleistung einer sicheren IT-Infrastruktur. Es stellt ausdrücklich fest: „Die Prüfung von Software auf Sicherheitslücken sollte immer möglich sein. Beim Einsatz von Software kann dies ein K.O.-Kriterium sein. Es steht Vertrauen versus Wissen.“
Das führt zum Fazit 2: Die Kirchen ignorieren die Position von anerkannten staatlichen Fachstellen – wie etwa des BSI – sowie grundlegende Erkenntnisse der IT-Sicherheitsforschung. In der Situation Vertrauen versus Wissen haben sie sich für Vertrauensseligkeit statt Wissen entschieden.
Der Status Quo: kirchliche IT-Strategie der Zukunft
Angesichts dieses ernüchternden und alarmierenden Ist-Zustandes interessiert uns zum Dritten, ob im Rahmen der IT-Zukunftsplanung freie Alternativen zur derzeitigen Softwareausstattung geprüft werden. Eine solche Prüfung muss sowohl Kriterien der Machbarkeit und des Aufwandes als auch Kosten- und Sicherheitsaspekte berücksichtigen, vor allem aber eine langfristige, transparente und nachhaltige IT-Strategie im Blick haben.
Wir erleben, dass die Kirchen gegenüber Freier Software eine tendenziell abwartende, wenn nicht abwehrende Haltung einnehmen. Sie begründen dies vor allem mit kurzfristigen Mehrkosten, Umstellungskomplexitäten, fehlenden freien Fachverfahren und mangelnden offenen Standards zum Datenaustausch zwischen den einzelnen Kirchenstellen.
Kriterien der Nachhaltigkeit und Sicherheit spielen offenbar eine untergeordnete Rolle, ebenso wie mittel- und langfristige Einsparmöglichkeiten. Nicht einmal prominente Beschlüsse wie etwa der Beschluss und die daraus folgenden praktischen Erfahrungen der Diözese Würzburg, OpenOffice.org und damit das Open-Document-Format in ihrer Verwaltung einzusetzen, haben diese Haltung verändert.
Die Kirchen besitzen vor allem keine zeitgemäße IT-Strategie.
Eine solche Strategie soll zwar entwickelt werden, basiert aber weitgehend auf Mainstream bzw. proprietären Insellösungen. Außerdem treffen die Kirchenverantwortlichen in Verwaltungen und Büros nahezu keine Maßnahmen, um die Akzeptanz Freier Software unter den Beschäftigten zu fördern und die Fixierung auf Microsoft-Arbeitsumgebungen zu lockern.
Fazit 3: Eine Migration zu Freier Software wird von den Kirchen offensichtlich nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Die teils widersprüchliche Argumentation deutet darauf hin, dass eine Migration zu Freier Software keineswegs nicht machbar ist, sondern entweder gescheut wird oder schlicht nicht gewollt ist.
Der Status Quo: IT in kirchlicher Bildung
Wenn wir schließlich den Blick über die Kirchenbüros hinaus auf z.B. kirchliche Schulen richten – denn in den Antworten auf die Fragen, wie Freie Software dort genutzt und gefördert wird und welche Fortbildungsangebote für Lehrer existieren, werden wichtige Weichenstellungen für die Zukunft deutlich – dann kommen wir zu dem Ergebnis: Freie Produkte kommen gelegentlich aus pragmatischen Erwägungen zum Einsatz, die kategorialen und ethischen Unterschiede zwischen proprietärer und freier Software werden aber allenfalls am Rande thematisiert. Lehrerfortbildungen zum Thema Freie Software finden nur in begrenztem Rahmen statt.
Unser Fazit hierzu: Freie Software spielt an kirchlichen Schulen und Bildungseinrichtungen keine nennenswerte Rolle.
Angesichts dieser Bestandsaufnahme stellt sich die Frage, was zu tun ist.
- Wir von LUKi fordern eine IT-Strategie der Kirchen, die mittelfristig eine teilweise, langfristig eine möglichst vollständige Migration der Kirchenverwaltungen auf Freie Software zum Ziel hat. Diese Strategie muss einerseits den Kriterien der Sicherheit, Nachhaltigkeit, Herstellerunabhängigkeit und Effizienz genügen, andererseits die absehbaren positiven Effekte einer Migration zu Freier Software (etwa für den kirchensteuerzahlenden IT-Mittelstand vor Ort) verstärkt berücksichtigen.
- Mit Priorität muss die Migration der Server in den Kirchen auf Freie Software durchgeführt werden, da hier besonders hohe Lizenzkosten anfallen und mit geringeren Umstellungskomplexitäten zu rechnen ist.
- Bereits im Vorfeld einer solchen Strategie sind jedoch Maßnahmen notwendig, die die Kirchen nicht immer tiefer in die Sackgasse proprietärer Softwareanwendungen führen, sondern die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern mindern und eine Migration mittelfristig vereinfachen.
- Dazu müssen sich die Kirchen überhaupt erst einmal einen Überblick aller verwendeten Software-Lizenzen in den Verwaltungen und nachgeordneten Büros verschaffen. Eine unabhängige Studie muss die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Migration zu Freier Software auf Grundlage der aktuellen technischen Möglichkeiten untersuchen.
- Bei der Ausschreibung neu zu programmierender Fachverfahren müssen Umsetzung in Freier Software und Nutzung offener, auch plattformunabhängiger Standards zwingend vorgeschrieben werden, um eine zukünftige Migration nicht weiterhin strukturell zu erschweren.
- Und schließlich ist es wichtig, gezielt mit anderen Kirchen zusammenzuarbeiten, die beim Einsatz Freier Software teilweise weiter sind und bereits in diesem oder jenen Teilbereich praktisch nutzbare Erfahrungen gesammelt haben. Ziele dieser Zusammenarbeit sollte der Austausch über Erfahrungen, Planungen und bestehende Möglichkeiten der Migration auf freie Produkte sein, aber auch die Durchsetzung offener Standards bei Dokumenten- und Dateiformaten sowie Schnittstellen über die Kirchen- und Konfessionsgrenzen hinweg.
- Mittel, die bisher für proprietäre Lizenzen ausgegeben werden, müssen konsequent in die Neuprogrammierung von IT-Fachverfahren auf Basis Freier Software sowie in den Support investiert werden. Das sind für die Kirchen bei knapper werdenden Budgets nachhaltige Investitionen, durch die Kosten eingespart werden können.
Was wir von LUKi damit fordern, ist nicht mehr und nicht weniger als die Abkehr von der kirchlichen Unterstützung des Microsoft-Monopols!
Wir bedanken uns bei Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, medienpolitischer Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, für die Erlaubnis dessen Rede vom 20.Mai 2010 vor dem Sächsischen Landtag bei der Erstellung dieses Textes zu verwenden.